Der Horrorflug

Es trug sich zu im Jahre 1990. Damals arbeitete ich bereits ein Jahr in einem großen Pharma-Unternehmen im Verkaufsinnendienst. Wie so üblich fand auch in dieser Firma jedes Jahr eine große Außendienst-Tagung statt. Und da unsere Umsätze im vergangen Jahr enorm waren, wurde diese Tagung als kleines Dankeschön an die Mitarbeiter auf Teneriffa abgehalten. 1 Woche lang der komplette Außendienst auf Teneriffa im Maritim-Hotel. Nicht schlecht, was? ;o)

 

Die Tagung wurde von einem externen Unternehmen organisiert. Meine Kollegin aus dem Verkaufsbüro West und ich (Verkaufsbüro Ost) sollten dann bereits samstags anreisen, um mit den Veranstaltern vor Ort noch alles abzuklären und unsere "Außendienstler" dann am Montag gebührend zu empfangen.

 

Meine Kollegin und ich flogen dann also über Paris nach Teneriffa, fühlten uns pudelwohl, alles war schnell abgeklärt, so dass wir den Sonntag einfach in der Sonne genießen konnten. Montags gegen Mittag kamen dann unsere Kollegen, allesamt kreidebleich, allesamt wenig gesprächig - das war schon sehr seltsam. Aber keiner sagte auch nur einen Ton, was denn los sei.

 

Die Tagung nahm ihren Lauf, mittwochs hatten alle frei und konnten an verschiedenen Ausflügen teilnehmen oder auch einfach nur faul am Pool liegen. Die Tagung an sich war sehr zufrieden stellend. Nur ich persönlich fand das Essen ziemlich schrecklich, da ich keinen Fisch mag und dort alles entweder Fisch war, oder aber zumindest bereits den Geruch davon angenommen hatte, so dass es nach Fisch schmeckte, auch wenn es Fleisch oder Salat war. Ich hatte mich somit mehr oder weniger von Eis ernährt. Ging auch.

 

Samstags war dann der Heimflug geplant. Unsere Maschine sollte um 13.00 Uhr starten. Somit wurden wir alle mit 2 Bussen um 10.00 Uhr im Hotel abgeholt und zum Flughafen gebracht. Dort eingecheckt warteten wir erst mal. Es wurde 13.00 Uhr, nichts passierte, es wurde 14.00 Uhr nichts passierte, es wurde 15.00 Uhr, nichts passierte. Dann endlich um 15.30 Uhr durften wir endlich in die Maschine einsteigen. Doch als ich da hineinkam, war mir schlagartig klar, warum meine Kollegen bei der Ankunft so kreidebleich waren! Der Teppich war bereits halb rausgerissen, auf meinem Platz gab es keine Armlehne mehr, da hingen einfach nur noch die Kabel heraus usw. Kurz: das Flugzeug war schrottreif! Und wie sich später herausstellte, war dies auch der letzte Flug, den die Maschine machte. Die Fluggesellschaft war bereits pleite, doch bei Vertragsabschluss noch nicht und somit hielten sie den Vertrag ein und flogen - willenlos!

 

Wir starteten dann also mit 3 Stunden Verspätung um 16.00 Uhr. Doch irgendwie wollte das Flugzeug nicht so recht in die Höhe kommen. Dann gingen irgendwann die Lichter "Bitte anschnallen und Rauchen einstellen" aus. Dann wieder an, dann wieder aus... Wir wurden alle ziemlich nervös. Einer unserer Pharmareferenten war früher Pilot. Den fragten wir dann natürlich, was das denn zu bedeuten hätte. Er erklärte uns, dass das Fahrwerk mit diesen Lichtern gekoppelt sei, sprich, wenn das Fahrwerk vollständig eingezogen war, gingen die Lichter aus, wenn es ausgefahren wurde, gingen sie an. Und dieses ständige An und Aus könne nur bedeuten, dass das Fahrwerk nicht richtig eingefahren werden konnte. Prima! dachten wir, da fühlen wir uns doch gleich unheimlich sicher! Kurze Zeit darauf flog die Maschine einen großen Bogen, ich sah, wie das ganze Kerosin ins Meer abgelassen wurde und 15 Min. später waren wir wieder auf Teneriffa gelandet, mitten in einem Aufgebot von Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen. Die Landung war auch nicht wirklich sanft, aber wir haben sie alle heil überstanden - natürlich mit puddingweichen Knien.

 

Dann sollten wir alle das Flugzeug verlassen. Wir wurden in einen abgesperrten Bereich des Flughafens gebracht. Dort warteten wir - mal wieder. Von diesem Bereich aus, konnten wir auf unser Flugzeug sehen. Doch was wir da sahen, beruhigte uns keineswegs! Im Gegenteil! Es kamen spanische Monteure, die sich am Fahrwerk zu schaffen machen. Die Maschine startete wieder - diesmal leer und kam 20 Min. später wieder zurück. Die Monteure wieder am schrauben, wieder ein Probeflug, wieder eine Landung, wieder das Schrauben der Monteure, noch ein Probeflug, noch eine glimpfliche Landung, dann endlich wurde unser Gepäck aus dem Flieger ausgeräumt! Ein Jubelschrei ging durch die Menge, denn da wussten wir, wir bekommen eine andere Maschine. Die Stimmung lockerte sich dann endlich.

 

Die Monteure machten sich weiter an dem Fahrzeug zu schaffen und was mussten wir dann mit Schrecken feststellen: unser Gepäck wurde wieder in diese Maschine geräumt!!! Schlagartig waren wir alle still. Alle hatten natürlich zwischenzeitlich versucht, daheim anzurufen um Bescheid zu geben, dass wir Verspätung hätten usw., aber in diesem Bereich gab es nur ein Telefon (Handys waren damals ja noch nicht so verbreitet) und somit hatte ich (da keine Familie) gar keine Chance, mich zu melden.

 

Um kurz vor 21.00 Uhr hieß es dann wieder zurück in die Maschine. Heute würde ich da nicht mehr einsteigen, aber damals - keine Ahnung - was ich mir dabei gedacht habe - wahrscheinlich stand ich unter Schock, denn ich hatte sowieso tierisch Flugangst!!! Dieses Mal gingen die Lichter vorschriftsmäßig aus, ich vertiefte mich in mein Buch und dachte an nichts anderes, als an das, was ich gerade las. Doch einigen meiner Kollegen gelang das Ablenkungsmanöver nicht so gut. Kein Wunder! Mit Unmengen an Alkohol, den sie in sich hineinschütteten wäre mir auch schlecht geworden. Somit wurde dann der Gestank in dem Flieger irgendwann echt unangenehm...

 

Nach bereits 2 Stunden Flugzeit meldete sich dann netterweise einmal der Pilot. Er teilte uns mit, dass wir nach Köln fliegen müssten, da in Frankfurt ja ab 0.00 Uhr Start- und Landeverbot sei. Toll! Wir waren alle begeistert!!! Aber ändern konnten wir ja auch nichts daran. Um ca. 1.00 Uhr landeten wird dann in Köln - diese Landung war für dieses Flugzeug geradezu perfekt von statten gegangen. Wir checkten aus und dort warteten dann bereits 2 Busse, die uns zurück nach Frankfurt bringen sollten. Doch hatte wohl unser Busfahrer nicht damit gerechnet, dass er in dieser Nacht noch fahren musste, denn er war weder nüchtern noch war er wach! Er fuhr Schlangenlinie, schlief ständig ein. Ich dachte mir: super, nun hast Du diesen Horrorflug überlebt, und nun verendest Du bei einem Verkehrsunfall, weil der Busfahrer betrunken eingeschlafen ist! Alle, die in den vorderen Reihen saßen, haben dann ständig an seinem Ärmel gezupft, ihn in Gespräche verwickelt usw., nur damit er wach bleibt und einigermaßen gerade aus fuhr.

 

In Frankfurt heil! angekommen, hatte sich über das Taxi-Netz langsam bereits die Nachricht verbreitet, dass zwei Busse mit gebeutelten Leuten ankommen würden, die allesamt schnellstmöglich nach Hause wollten. Um 4.30 Uhr hatten dann meine Kollegin aus dem Verkaufsbüro West, der Geschäftsführer und ich ein Taxi erwischt, das uns die 60 km nach Hause bringen würde. Hat mal so schlappe 100 DM gekostet, aber ich musste es ja nicht bezahlen. Ich war dann endlich um 5.30 Uhr in meiner Wohnung. Total kaputt und völlig ausgehungert.

 

Doch in meinem Kühlschrank war gähnende Leere - ich war ja eine Woche lang weg gewesen. Somit ging ich ein Stockwerk höher zu meinem damals besten Freund (der mich auch vom Flughafen abholen wollte) und weckte ihn unsanft mit der Wohnungsklingel. Er war sichtlich überrascht, als er mich vor der Tür stehen sah, ließ mich rein und fragte mich, was ich denn hier wollte, ich würde doch erst Sonntag landen! Er erzählte mir, dass er am Flughafen gewesen sei und mich abholen wollte. Auf der Tafel stand zunächst 1 Stunde Verspätung, dann 2 Stunden Verspätung, dann 3 Stunden usw. Irgendwann meinte er, sei der Flieger plötzlich aus der Liste verschwunden. Er: Oh, jetzt sind sie abgestürzt! hatte er gedacht, sagte er im Scherz. Ich meinte dann: Naja, hätte bei diesem Flug durchaus passieren könnten. Nach Rücksprache am Infoschalter bekam er die Auskunft, dass wir alle wieder zurück ins Hotel gebracht worden wären und dass wir erst am nächsten Tag zurückfliegen würden. Jou.

 

Ich fragte ihn, ob er denn etwas zu essen hätte. Er meinte: ja, aber nur Tomatenfisch aus der Dose. Perfekt oder?